Sträßlich vernachlässigt

Wir klären auf, was es mit der ominösen Bonner "Straßenbenennungsliste" auf sich hat.

Erläuterung: „Man muss das realistisch sehen: Frauen sind ja aus dem heutigen Straßenbild einer modernen Großstadt nicht mehr wegzudenken.“ Im Geist des ironischen Ralf-König-Zitats feiern sich die Grünen zur Zeit dafür, dass sie ausgehend von diesem Antrag in der Bezirksvertretung Hardtberg drei zeitweilige Bonnerinnen in der sogenannten Straßenbenennungsliste der Stadt untergebracht haben – und suggerieren der Leserin durch das bearbeitete Bild, dass die Einweihung der entsprechenden Straßen offenbar kurz bevor stünde. Visibility! Das ist jedoch leider nicht der Fall. In der ominösen Benennungsliste konkurrieren nämlich noch an die 100 andere tote Bewerberinnen und Bewerber um die zweifellos große Ehre, irgendwann im nächsten Neubaugebiet am Stadtrand die Patenschaft für eine der neuen SUV-Spuren zu übernehmen.

Aber Vorsicht: Wenn ein solches Ereignis tatsächlich mal ansteht, kann sich das zuständige Gremium bei der Benennung natürlich trotzdem genauso gut für nicht gelistete Alternativen wie „Alte Heerstraße“ oder „Am Apfelbaum“ entscheiden. Letzteres übrigens genau der Name, für den die Koalition aus CDU, Grünen und FDP im Jahr 2016 bei einer Neubenennung einer Straße in Buschdorf votierte – und damit gleichzeitig gegen die von der Stadtverwaltung aus der Benennungsliste vorgeschlagene Loki Schmidt als Namensgeberin. Dass nach unserer Zählung seit 2016 von 30 Straßenbenennungen nur sechs Frauen dabei waren, liegt entscheidend an diesen und anderen konkreten Beschlüssen in den Gremien, in denen die Grünen seit zehn Jahren mitregieren – und nicht in erster Linie daran, welche Namen man gerade in der Straßenbenennungsliste vergräbt. Ob und wann wir tatsächlich eine „Rita-Maiburg-Straße“ in Bonn haben werden, weiß daher nur die Göttin allein. (Und übrigens: Warum gestalten die Grünen, wenn es ihnen um die Sichtbarkeit von Frauen geht, das Straßenschild für die feministische Schriftstellerin Johanna Elberskirchen auf dem Bild eigentlich so, dass es statt nach einer Frau eher nach irgendeinem Dörfchen aus der Vorderpfalz klingt?)

Bewertung: Bisher hieß es in kommunalpolitischen Kreisen immer: „In Bonn wird man zweimal beerdigt. Das erste Mal auf dem Friedhof, und das zweite Mal auf der Straßenbenennungsliste.“ Hier sollte man künftig anfügen: „Und wenn man Glück hat, das dritte Mal in den Facebook-Meldungen der Grünen.“